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Hymn score of: Schuf mich Gott für Augenblicke? (Johann Andreas Cramer/Johannes Thomas Rüegg)

Christ My Song - 2181

Schuf mich Gott für Augenblicke?
(Johann Andreas Cramer/Johannes Thomas Rüegg)

Schuf mich Gott für Augenblicke?

1. Schuf mich Gott für Augenblicke?
  Bloß für diesen Traum der Zeit?
Nur zu ihrem eitlen Glücke,
  aber nicht zur Ewigkeit?
Spötter sagen's: nur ein Hauch
ist das Leben; schwindet auch,
  wie ein Strahl in Nacht verschwindet,
  dass man seine Spur nicht findet PDF - Midi.

2. Bin ich, wenn ich sterben werde,
  völlig der Verwesung Raub?
Dieser Leib, (ich seh's) wird Erde;
  ach! ein bald verwehter Staub!
O erreicht ich hier mein Ziel;
hätt ich alles Selbstgefühl,
  alles Leben dann verloren:
  lieber wär ich nie geboren.

3. Ist dies Leben nicht zum Leben
  einer bessern Welt der Pfad:
sagt, warum mir's Gott gegeben,
  mir Vernunft gegeben hat?
Glücklich wär ich, nähm er mir's;
gäbe mir die Lust des Tiers,
  das in Freuden hüpft und spielet,
  und den Tod voraus nicht fühlet.

4. Sein und dann zernichtet werden;
  Mitternachtsgedanke, fleuch!
Oder, ihr Gewürm auf Erden,
  neidisch, seh ich hin auf euch,
denn was hülfe mir der Flug,
der so oft zu Gott mich trug?
  Stürb ich ganz im Tod, so wäre
  Tugend weder Pflicht noch Ehre.

5. Nein, Verächter, meinen Glauben,
  dass ich nicht ganz sterblich sei,
lass ich mir kein Blendwerk rauben,
  keinen Hohn der Spötterei!
Meine Seel ist nicht ein Rauch,
nicht ein Funken; ist ein Hauch,
  den ich von dem Schöpfer habe;
  den verweht kein Sturm vom Grabe.

6. Geist! das ist mein hoher Name!
  Dieser Leib ist Hülle nur;
einst des edlern Leibes Same
  auf der Auferstehung Flur!
Wie ein Saatkorn auch verdirbt,
Frucht zu tragen: also stirbt
  auch mein Leib, ein höhres Leben,
  einem edlern Keim zu geben.

7. Nein, Gott schuf nicht unsre Seelen
  bloß für einen Augenblick;
schuf sie nicht, um sie zu quälen;
  schuf sie für ein ewig Glück.
Nur für dieses schuf er sie;
Seelen, Seelen, sterben nie;
  selig machen oder richten
  wird sie Gott und nicht zernichten.

8. Dieser heiße Durst im Herzen
  nach der Unvergänglichkeit;
dieser Drang in Leid und Schmerzen,
  nach der Heimat aus der Zeit –
Zeugen, Bürgen sind sie mir,
dass ich mich, mein Gott, zu dir,
  dass ich einst, wohin ich strebe,
  mich erheb, und ewig lebe!

9. Du, o Schrecken im Gewissen,
  bei Verbrechern, du, o Ruh,
und, was Fromme nur genießen,
  hoher Friede Gottes, du –
Zeugen, Bürgen seid auch ihr,
wenn der Tod mich schrecket, mir,
  wenn der Leib zerstäubt zu Erde,
  dass mein Geist nicht sterben werde!

10. Dankt es Jesus, Gottes Kinder,
  dass euch keine Zukunft schreckt;
dass des Todes Überwinder
  einst auch unsern Leib erweckt!
Wenn ihr sterbet, führt er gleich
eure Seelen in sein Reich,
  und will selbst ein bessres Leben
  euren Leibern wiedergeben.

11. Ewig, ewig werd ich leben;
  sicher der Unsterblichkeit,
streb ich mich empor zu heben
  über jeden Traum der Zeit!
Wandeln will ich fest und still
jeden Pfad des Rechts, und will,
  was davon mich locket, hassen,
  will die Ewigkeit umfassen.

12. Aber dass mein Flug nicht wanke,
  stärke mich, o Gott, dein Wort,
und der selige Gedanke:
  dort ist meine Heimat; dort!
Dort ist weder Schmerz noch Leid!
Wonne nur und Herrlichkeit!
  Dort, o Gott, vor deinem Throne
  meines Kampfes Preis und Krone!

Johann Andreas Cramer, Sämtliche Gedichte I, 1783, 181-186 (Nr. 54).

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