Christ My Song - 447
Wo sind des Tales weite Fluren? - Nebel im Tale
(Meta Heusser-Schweizer/Johannes Thomas Rüegg)
Nebel im Tale.
1. Wo sind des Tales weite Fluren?
Es deckt ein graues Wolkenmeer
von ihrer Welt die letzten Spuren,
kein Blick dringt hin und keiner her.
Da oben auf des Berges Zinnen,
die warmes Sonnenlicht umfließt,
muss man sich erst darauf besinnen,
ob auch da unten Leben ist. PDF - Midi
2. Da schallen helle Glockentöne
aus dunkler Tiefe mir ins Ohr,
so nah, in wunderbarer Schöne,
als ständ ich dort am Kirchentor.
Nie hat in hellen Sommertagen
des Tales Stimme so vertraut,
so mächtig an mein Herz geschlagen,
wie jetzt, von Wolkennacht umgraut.
3. "Der Nebel ist des Tones Leiter!"
So sprachen sie, und leise ward
mir die verborgne Himmelsleiter
der Erdennacht geoffenbart.
Was unsern Blick mit Flor umwoben
trägt reiner nur zu Gott empor
des Herzens Ruf, er tönet droben
zu Melodien im höhern Chor.
4. So winde sich mein Pfad im Dunkeln
durch Nebel, die kein Stern erhellt,
und seh ich nichts von oben funkeln,
als gäb es keine ewge Welt:
die Wolke muss mein Flehn beflügeln,
und Seufzer, hier vom Sturm verweht,
sie finden hoch auf Salems Hügeln
das Herz, das jedes Flehn versteht.
Meta Heusser-Schweizer, Gedichte, 1898, 59-60.