Christ My Song - 66
Seid mir gegrüßt, ihr grünen Schatten - Die Sprache der Natur
(Meta Heusser-Schweizer/Johannes Thomas Rüegg)
Die Sprache der Natur.
1. Seid mir gegrüßt, ihr grünen Schatten,
du wildes, ernstes Felsental,
ihr Alpen und ihr Blumenmatten,
verklärt vom Abendsonnenstrahl.
Es forscht mein Herz mit Kindesfragen
in deiner Bilderschrift, Natur:
in Hymnen aufgelöste Klagen –
sein Echo – tönen Hain und Flur. PDF - Midi
2. Als reich an Blumen und an Träumen
hell vor mir lag der Kindheit Bahn,
da wurde unter meinen Bäumen
ein Gotteshaus mir aufgetan.
Zu frühe schloss sich seine Pforte,
das Leben wurde schal und leer;
mein Ohr vernahm die Gottesworte
am Busen der Natur nicht mehr.
3. Da war ich mir der tiefen Wunden
des armen Herzens nur bewusst;
auf Erden ward kein Heil gefunden,
kein Frieden in der eignen Brust;
es schien des Morgenlichtes Helle
mir trüb in den getrübten Blick,
und die bewegte Silberwelle
gab meine Klagen nur zurück.
4. Doch als in wunderbarer Klarheit
der Freund vor meine Seele trat,
der uns verklärt in Lieb und Wahrheit
des ewigen Erbarmens Rat;
als er die treue Hand mir reichte,
die einst für uns geblutet hat,
durch Kampf und Tod den Weg mir zeigte
zur Heimat in die Gottesstadt,
5. und nun den Frieden wieder brachte,
den Sturm beschwor mit süßer Ruh,
da ward es Licht um mich, da lachte
mir Erd und Himmel wieder zu.
Nun scheint die Welt mir rings verkläret,
sie ist ja meines Gottes Welt!
Des Vaters liebe Stimme höret
des Kindes Herz in Wald und Feld.
6. Die Morgenröte lächelt wieder,
die Botin frohen Auferstehns;
es gehn die Sterne auf und nieder
zum Bilde süßen Wiedersehns;
es spricht nach der Gewitterstunde
des hohen Bogens Farbenpracht,
von Gottes ewgem Friedensbunde,
den mit uns Armen er gemacht.
7. Du Lieb und Huld, die nimmer endet,
und unser keines je vergisst!
Dir sei mein Leben zugewendet,
bis sich mein Auge brechend schließt.
Dann weht dein Hauch um meinen Hügel,
und schmückt ihn mit der Hoffnung Grün;
die Liebe trägt als Engelsflügel
in ihre Heimat still mich hin.
Meta Heusser-Schweizer, Gedichte, 1898, 3-5.